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Italiens Regierungschefin hat vergangenen November mit ihrem albanischen Amtskollegen die bilaterale Grundlage geschaffen: Edi Rama und Giorgia Meloni am 6. November in Rom
Foto: action pressItaliens Regierungschefin hat vergangenen November mit ihrem albanischen Amtskollegen die bilaterale Grundlage geschaffen: Edi Rama und Giorgia Meloni am 6. November in Rom

Migration

Giorgia Meloni macht ernst

EU-Mitglied Italien hat im Nicht-EU-Mitglied Albanien mit dem Bau eines Asylzentrums begonnen

Bodo Bost
25.04.2024

Die Ortschaft Gjadër liegt zwanzig Kilometer von der nordalbanischen Hafenstadt Shëngjin entfernt. Zwischen einem katholischen Friedhof und einem heute verlassenen ehemaligen Luftwaffenstützpunkt soll bis zum 20. Mai ein Zentrum für Immigranten eröffnet werden, so die Vereinbarung, die im November letzten Jahres von den Regierungschefs Albaniens und Italiens, Edi Rama und Giorgia Meloni, unterzeichnet wurde.

Eröffnung am 20. Mai geplant
Letztere will damit ihr Wahlversprechen einlösen, die Zahl der in Italien aufgenommenen Immigranten, die bis 2023 auf über 150.000 gestiegen ist, zu reduzieren. Das Zentrum ist für 3000 Personen konzipiert. Da die Verweildauer bei einem Monat liegen soll, könnten also bis zu 36.000 Personen pro Jahr die Einrichtung durchlaufen. Ausschließlich erwachsene Männer aus Ländern, die als sicher gelten, sollen hier während ihres Asylverfahrens kaserniert werden. Dort werden ihre Asylanträge geprüft und sie werden gegebenenfalls in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt, wobei die Rückflüge von Italien aus erfolgen müssen. Familien oder Frauen mit Kindern sollen nicht nach Albanien ausgelagert werden.

„Im Moment ist Italien wegen der vielen illegalen Migranten in Schwierigkeiten, und Albanien kann helfen“, sagt der albanische Abgeordnete Denis Deliu, Mitglied der in Tirana regierenden Sozialistischen Partei (SP). Für ihn ist das Abkommen eine klare Win-Win-Situation, eine Symbiose. Albanien hat Italien die freie Nutzung von zwei Grundstücken gewährt, eines innerhalb des Luftwaffenstützpunkts Gjadër und eines im Hafen von Shëngjin. Sie werden als italienisches Hoheitsgebiet betrachtet, wie es auch die ausländischen Botschaften sind. Im Hafen wird ein Hot Spot eingerichtet, wie es ihn bereits in Italien auf der Insel Lampedusa gibt. Dort wird Erste Hilfe geleistet und werden Identifizierungsmaßnahmen durchgeführt. In Gjadër wird derzeit ein Bereitschaftszentrum für die Rückführung (CPR) gebaut. Dort werden ausländische Staatsbürger inhaftiert, die auf die Vollstreckung eines Abschiebebefehls warten.

Kosten von gut 650 Millionen Euro
Die Kosten für die italienische Regierung belaufen sich auf gut 650 Millionen Euro für fünf Jahre. Eine Verlängerung ist möglich. Die gute halbe Milliarde Euro beinhaltet den Bau und die Verwaltung der Zentren, die Überwachung, die den albanischen Behörden übertragen wird, sowie Personal- und Transportkosten.

Während in Italien Nichtregierungsorganisationen und die Opposition das Abkommen kritisieren, bildet sich auch in Albanien Widerstand. Viele der heute dort lebenden Albaner haben selbst einmal versucht, in Italien einzuwandern. Einige kennen sogar Lampedusa aus eigener Erfahrung. Sie fürchten um den Tourismus, von dem diese Region im Norden von Albanien zurzeit eher schlecht denn recht lebt. Die Eröffnung des Zentrums wird auch dazu führen, dass etwa 50 Fischer vom Hafen Shëngjin in den 70 Kilometer weiter südlich gelegenen Hafen Durrës umgesiedelt werden. Während man im Norden von Albanien katholisch ist, ist Durrës bereits muslimisch, wie fast das gesamte Land. Dass die beiden Zen­tren für fast ausschließlich muslimische Immigranten ausgerechnet im katholischen Teil Albaniens gebaut werden, lässt tief blicken, denn die Katholiken im Norden und die orthodoxen Christen im Süden haben im muslimischen Albanien kaum Rechte. Sie stellen das Gros der Migranten aus Albanien.

Die Gemeinde Lezhë, in der die beiden Orte liegen, hat bereits Erfahrung mit der Aufnahme von afghanischen Immigranten. Auf Bitten der USA hatte sich Albanien 2021 bereit erklärt, etwa 3000 aus Kabul ausgeflogene Afghanen aufzunehmen. Hunderte von ihnen befinden sich noch immer in einem Luxusresort und warten darauf, ein Visum für die USA zu erhalten. Vor den Afghanen gab es iranische Dissidenten und vor ihnen Uiguren aus China, die auf der Balkanroute in Albanien hängengeblieben sind. Albanien möchte mit dem Deal mit Italien zeigen, dass es ein verlässlicher Partner sei und somit den Beitritt zur Europäischen Union verdiene. Noch nie hat ein Gericht die Aufnahme von Asylsuchern in Albanien blockiert. Die ersten Asylsucher werden voraussichtlich Ende Mai eintreffen, kurz vor den Europawahlen am 9. Juni.

Entscheidung des EuGH steht aus
Das Abkommen mit Italien hängt jedoch ab vom Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union über die Gültigkeit des sogenannten Cutro-Dekrets der Regierung Meloni von Ende 2023, auf dem das italienisch-albanische Abkommen beruht. Dieses Dekret sieht vor, dass die italienischen Behörden einen Asylsucher bis zu achtzehn Monate inhaftieren können, sofern dieser nicht eine Kaution in Höhe von 5000 US-Dollar hinterlegt. Sollte der Gerichtshof zu dem Schluss kommen, dass die italienische Regelung nicht mit den EU-Vorschriften übereinstimme, würde das gesamte Abkommen in Frage gestellt werden. Trotz dieses Risikos hat die italienische Regierung Ende März mit den Bauarbeiten begonnen.


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